Die wichtigsten Informationen und Empfehlungen für den Umgang mit Pilzen in Kindertagesstätten
von
Harry Andersson, geprüfter Pilzsachverständiger d. Deutschen Gesellschaft für Mykologie e. V. (DGfM),
Mitglied im DGfM-Fachausschuss „Pilzverwertung und Toxikologie“ sowie Mitglied im Fachausschuss 5
der Deutschen Lebensmittelbuchkommission.
(Stand 10.06.2022)
Allgemeines
Die Haupterscheinungszeit von Pilzen reicht etwa von Anfang Juli bis Mitte November. Aber auch vor und nach den genannten Monaten können Pilze wachsen. Bei entsprechender Witterung wachsen Pilze in allen frostfreien Monaten. Kleinkinder bis zu vier Jahren sind durch Pilze besonders gefährdet, da sie ihre Welt oft mit dem Mund erkunden. In den Statistiken der Giftinformationszentren nehmen Vorkommnisse mit Kindern bis zu 4 Jahren, in denen Pilze eine Rolle spielen, jedes Jahr zahlenmäßig Spitzenpositionen ein.
Die Einhaltung der vorgeschlagenen Empfehlungen soll die Kinder schützen und einen gefahrlosen Aufenthalt in der Einrichtung gewährleisten. Darüber hinaus kann im Falle der Schädigung einer Person durch Pilze die Einhaltung dieser Empfehlungen für die verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlastend wirken.
Auf den Außenflächen (Rasen, Beete, Mulch, Kompost), an Totholz (Stämme, Stubben, Äste, Rinde, verbautes Holz, Spielgeräte) oder an und unter lebenden Bäumen, gelegentlich sogar in Blumentöpfen, wachsen verschiedene Pilzarten. Darunter sind ungenießbare, essbare und giftige Arten. Diese Speisewert-Kategorien beziehen sich allerdings nur auf essbare Pilze, die 15 Minuten gekocht oder gebraten wurden. Diese Einteilung gilt nicht für den Verzehr roher Pilze. Auch essbare Pilze können roh genossen durchaus giftig sein. Kinder verzehren die Pilze oder Teile davon im Spiel und ihrem Erforschungsdrang natürlich roh. Nur wenige Pilzarten sind auf ihre Inhaltsstoffe und deren Wirkung auf den menschlichen Organismus untersucht, daher sind nicht alle Inhaltsstoffe und Gifte bekannt. Von einigen Pilzen weiß man, dass sie z. B. Magen-Darm-giftig sind, andere Arten rufen Organschäden (Leber, Nieren) hervor, wirken auf das Zentralnervensystem (ZNS) oder besitzen Inhaltsstoffe, die Veränderungen des Blutes bewirken können, z.B. Auflösung (Hämolyse) oder Verkleben (Agglutination) der roten Blutkörperchen. Deshalb ist im Umgang mit Pilzen außerordentliche Umsicht und Vorsicht geboten. Es empfiehlt sich, die für Ihre Einrichtung wichtigsten Punkte dieses Merkblattes in eine Verfahrensanweisung zu fassen. Ein Eckpfeiler in der Anweisung sollte die Einbindung eines Giftinformationszentrums sein.
Im Notfall
Wird vermutet oder besteht die Möglichkeit, dass ein Kind einen Pilz oder Teile davon verzehrt hat, muss so schnell wie möglich versucht werden, die Pilzart zu identifizieren oder zumindest bestimmte giftige Arten auszuschließen. Wenden Sie sich daher umgehend an ein Giftinformationszentrum. Es ist für Sie täglich 24 Stunden besetzt. Beispiel: Gemeinsames Giftinformationszentrum der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, GGIZ Erfurt Tel. 0361/730 730.
- Bewahren Sie Ruhe.
- Geben Sie dem Kind keine Milch zu trinken.
- Provozieren Sie kein Erbrechen.
- Geben Sie Medizinalkohle nur auf ärztliche Anweisung.
- Auf keinen Fall Salzwasser zu trinken geben!
Salzwasser kann lebensbedrohlich sein!
Treten Symptome wie z. B. Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen, Schweißausbruch, Tränenfluss, Speichelfluss, Pupillenerweiterung oder -verengung, Atemnot oder schneller Puls auf, muss das Kind sofort unter Einsatz des Rettungsdienstes im Krankenhaus vorgestellt werden. Die Identifikation der in Frage kommenden Pilzarten ist wichtig, weil unterschiedliche Pilzgifte eine differenzierte Behandlung erfordern. Daher Pilze, Pilzreste, auch kleinste Stücke und/oder Erbrochenes unbedingt aufheben und mit in das Krankenhaus nehmen! Falls keine Pilzreste mehr vorhanden sind, sammeln sie Pilze an der vermuteten Fundstelle ein. Pilze nicht abschneiden. Zur Bestimmung wird möglichst der vollständige Fruchtkörper benötigt! Dazu werden die Pilze mit dem Finger oder einem Löffel vollständig aus der Erde gehoben oder direkt am Holz abgetrennt. Der/die Pilzsachverständige kann oft noch aus Pilzresten oder Erbrochenem die verursachende Pilzart erkennen bzw. bestimmte giftige Pilzarten ausschließen.
Was Sie tun können
Beschäftigte in den Kindertagesstätten sind i. d. R. pilzkundliche Laien. Für das Personal ist daher die Teilnahme an einer pilzkundlichen Wanderung empfehlenswert. Darüber hinaus sollte die Kita über ein qualifiziertes Pilzbuch mit einem theoretischen Teil und guten Abbildungen verfügen. Empfehlenswerte Autoren sind z. B. Andreas Gminder, Markus Flück oder Ewald Gerhardt. Pilz-Apps sind in Notfällen weniger empfehlenswert. Abhängig vor allem von Feuchtigkeit, Temperatur und Jahreszeit ist davon auszugehen, dass verschiedene Pilzarten auf dem Außengelände erscheinen. Einige Pilzarten wachsen sehr schnell und erscheinen fast „wie über Nacht“. Im Bereich der Kleinkinder sollte so wenig wie möglich gemulcht (Holz-, Rindenschnitzel) werden. Auf Mulch wachsen weitere Pilzarten, die sonst nicht in dem Areal erscheinen würden. Mulch erschwert zusätzlich das optische Erfassen der Pilzfruchtkörper.
Zu Beginn der Woche sollten die Flächen einmalig gründlich abgesucht und Pilzfruchtkörper aller Art entfernt werden, bevor die Kinder das Außengelände aufsuchen. Die Suche nach Pilzfruchtkörpern sollte Spielgeräte aus Holz, Gerüste, Holzzäune und -bänke, liegende Baumstämme und Blumentöpfe einschließen. Es wird empfohlen, die Flächen zu Beginn der weiteren Wochentage kurz nach Pilzfruchtkörpern abzusuchen. Einige Pilzarten zersetzen totes oder lebendes Holz. Die Festigkeit des befallenen Holzes ist nach einiger Zeit durch Fäule beeinträchtigt. Werden Pilzfruchtkörper an Spielgeräten, Gerüsten usw. oder an Bäumen festgestellt, ist umgehend eine Prüfung der Festigkeit zu veranlassen.
Pilze in Deutschland haben keine Kontaktgifte. Das Berühren auch von Giftpilzen birgt keine gesundheitliche Gefahr. Allerdings sollten die Hände des Kindes gewaschen werden um ggf. kleinste Pilzteilchen zu entfernen.
Es muss gewährleistet sein, dass für die Kinder keine selbst gesammelten Pilze in den Mahlzeiten verarbeitet werden. Bei Problemen mit Pilzen kann ein Giftinformationszentrum ggf. einen Experten/Expertin aus der Region zur Unterstützung benennen.
Für Kinder kann durch geeignete Aktionen ein Verständnis auch für Gefahren durch Giftpilze erreicht werden. Unterstützung für den spielerischen Umgang mit Pilzen leistet die Deutsche Gesellschaft für Mykologie e. V. (DGfM) auf ihrer Homepage www.dgfm-ev.de Jugend und Nachwuchs, Pilze in Schulen und Kindergärten, PDF-Dateien nach Bereichen.
Harry Andersson
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