Dioxin
1. Beschaffenheit
Unter dem Begriff "Dioxine" fast man im allgemeinen die Gruppe der polychlorierten Dibenzodioxine (PCDD, 75 Verbindungen) und der polychlorierten Dibenzofurane (PCDF, 135 Verbindungen) zusammen. Es handelt sich also um eine Stoffgruppe mit vielen isomeren Verbindungen. Bei dem als "Seveso"-Dioxin bekannten 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (2,3,7,8-TCDD) handelt es sich in reiner Form um farblose Kristalle, die in Wasser unlöslich sind. Keine dieser Substanzen wird gezielt hergestellt oder technisch benötigt.
2. Vorkommen
In der Umwelt entstehen Dioxine durch Verbrennung chlororganischer Verbindungen im Niedrigtemperaturbereich (Waldbrände, Brandrodung, Gewitter usw.) oder gelangen mit Rauchgasen, Produktions- und Verbrennungsrückständen dorthin. Deshalb sind sie praktisch überall in Spuren nachweisbar. In der Luft werden sie durch Photolyse und Radikale relativ rasch zerstört, während sie im Boden und im Wasser (Sedimente) über viele Jahre verweilen.
3. Toxizität
Die Giftigkeit der Dioxine ist sehr unterschiedlich. Die größte Toxizität besitzen das „Seveso“-Dioxin (2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin; 2,3,7,8-TCDD) und 16 weitere Verbindungen mit der gleichen Anzahl Chloratome an der gleichen Position. Um die Giftigkeit der einzelnen Verbindungen vergleichen zu können, wurde der Toxizitätswert für 2,3,7,8-TCDD als Toxizitätsäquivalenzfaktor (TEQ) gleich 1,0 gesetzt. Es wird davon ausgegangen, dass beim Menschen die wiederholte Aufnahme einer Dioxindosis von mehr als 100 µg/kg (entsprechend 7 mg für einen Erwachsenen mit 70 kg Körpergewicht) eine akute Vergiftung auslöst. Im Zusammenhang mit akuten Dioxinexpositionen ist bisher kein Todesfall bekannt worden.
4. Akute Vergiftung
Nach akuter Aufnahme von TCDD kommt es zunächst zu unspezifischen Reizwirkungen (Haut, Augen, Atemwege). Übelkeit, Erbrechen und Muskelschmerzen können auftreten. Im Abstand von einigen Wochen treten verschiedene Hautveränderungen auf. Polyneuropathien (Erkrankung peripherer Nerven) und eine Leberschädigung werden häufig beobachtet. Im Blut zeigen sich Veränderungen des Fettstoffwechsels. Auch nach Dioxineinwirkung auf die ungeschützte Haut entwickelt sich 2-4 Wochen später eine Chlorakne, die über Jahre oder lebenslang bestehen bleiben kann. Eindeutige Beziehungen zwischen Dosis und Wirkungen ließen sich nach TCDD-Einwirkung bisher nicht feststellen.
5. Dioxin-Belastung
Jeder Mensch nimmt täglich ca. 50 pg TEQ Dioxine mit der Nahrung auf, überwiegend in Form von Fleisch- und Fischprodukten (> 95 %), ohne dass Vergiftungserscheinungen auftreten. In Deutschland wird als lebenslang duldbare tägliche Aufnahme ein Wert von 0,001 ng TEQ pro kg Körpergewicht und Tag (ADI-Wert) angesehen. Eine kurzzeitige Überschreitung des ADI-Werts ist toxikologisch ohne Bedeutung.
[Ein Nanogramm (ng) sind 0,000 000 001 Gramm, ein Pikogramm (pg) sind 0,000 000 000 001 Gramm.]
6. Krebsentstehung
Ob die in der Umwelt anzutreffenden geringen 2,3,7,8-TCDD-Konzentrationen langfristige Auswirkungen haben, ist noch nicht eindeutig geklärt. Es gilt als unwahrscheinlich, dass sie beim Menschen Krebs hervorrufen. Im Tierexperiment greift 2,3,7,8-TCDD die Erbsubstanz (DNS) nicht direkt an, sondern beschleunigt die Tumorentstehung.
Weiterführende Informationen
- Umweltbundesamt: Allgemeine Informationen zu Dioxin
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Allgemeine Informationen zu Dioxin
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Chemische Lebensmittelsicherheit. Pressemitteilung A/2011 vom 26.01.2011
Informationen zur aktuellen Dioxinproblematik Januar 2011:
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Aktuelle Dioxinproblematik: Verbraucher müssen sich keine Sorgen machen. Pressemitteilung 04/2011 vom 26.01.2011
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Dioxin-Aufnahme Eier (Stand vom 25.01.2011) 40.9 KB
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Dioxin-Aufnahme Schweinebraten (Stand vom 25.01.2011) 47.7 KB
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Fragen und Antworten zu Dioxinen und PCB in Lebensmitteln. FAQ des BfR vom 13.04.2012
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Höchstwerte für die Summe aus Dioxinen und Furanen (Daten aus: Anhang, Abschnitt 5 der EU-Verordnung (EG) Nr. 1881/2006)
Quellen
Allgemeinverständliche Darstellung:
- Strubelt O: Gifte in Natur und Umwelt. Spektrum Akadem. Verlag, Heidelberg, Berlin, Oxford 1996 - Kapitel 9: Das "Ultragift" Dioxin, S. 183-198
Übersichten:
- Forth, W, Henschler D, Rummel W, Förstermann U, Starke K (Hrsg.): Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 8. Aufl., Urban und Fischer, München, Jena 2001 - Kapitel 34.10.1: Dibenzodioxine und Dibenzofurane, S. 1098-1100
- Marquardt H, Schäfer S (Hrsg.): Lehrbuch der Toxikologie. 2 Aufl., Wiss. Verl.-Gesellschaft, Stuttgart 2004 - Kapitel 28: Polychlorierte Dioxine, Furane und Biphenyle. S. 703-730
- Hulpke H, Koch H A, Niessner R. (Hrsg.): Römpp Lexikon Umwelt. 2. Aufl., Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2000
Wissenschaftliche Grundlagen:
- Ballschmiter K, Bacher R: Dioxine. Chemie, Analytik, Vorkommen, Umweltverhalten und Toxikologie der halogenierten Dibenzo-p-dioxine und Dibenzofurane. VCH, Weinheim, New York, Basel et al. 1996
- Oehme M (Hrsg.): Handbuch Dioxine. Quellen, Vorkommen, Analytik. Spektrum Akadem. Verlag, Heidelberg, Berlin, Oxford 1998
Experimentelle Therapie:
- Moser G A: Absorption und Exkretion persistenter lipophiler Umweltschadstoffe im Gastrointestinaltrakt des Menschen. Dissertationsschrift 98 Diss 726, Universität Bayreuth 1998
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